Ein Ethnologe aus Bayreuth mit profunden Libyenkenntnissen spricht über die Stammesstrukturen und den Generationenkonflikt: Interview in der taz von gestern
Wer mehr – alles Wichtige – über Libyen lesen möchte (deutsch + français) oder das Video der « letzten TV-Ansprache » Gaddafis sehen möchte (en français, deutsch untertitelt), klickt hier: Sehr gute Chronologie über die letzten Tage eines Despoten, bei Andreas
Foto(c)reuters : Die jungen Aufständischen wollen die politische Macht der Stämme begrenzen: ein Mitglied eines Stammes in Tripolis.
Interview DORIS AKRAP
Thomas Hüsken ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Ethnologie der Uni Bayreuth, habilitiert über neue Formen beduinischer Politik und politische Kultur in Libyen und Ägypten, ist Autor diverser Bücher und war zu Beginn des Aufstands und im Juli in Libyen.
taz: Herr Hüsken, überall wird darüber spekuliert, welche Rolle die Stämme künftig spielen werden. Wer und was sind die libyschen Stämme?
Thomas Hüsken: Die Vorstellung von den Stämmen als miteinander verfeindete, atavistische Gemeinschaften, die mit Blut, Ehre, Scham, Schande verbunden ist, lässt sich vielleicht gut vermarkten. Mit der Realität hat sie nichts zu tun. Die Stammespolitiker sind erfahrene Lokalpolitiker und verfügen über entsprechendes Know-how. Begriffe wie Konsens, Stabilität und Interessenausgleich sind ihnen nicht fremd.
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Die Stammespolitiker waren auch unter Gaddafi schon Lokalpolitiker?
Sicher. Gaddafi hat anfangs versucht, die Stämme zu verdrängen. Das ging aber schief. Der Deal war dann, dass die Stämme Gaddafi als Führer des Landes anerkennen und er ihnen dafür Spielräume auf lokaler und regionaler Ebene gewährte und sie die Ölrente verteilen ließ. Lire la suite