« Sind Wahlen wirklich das Wichtigste? »

Mali zwischen Vielfachkrise und Aufbruch: Eine Superreportage zur Situation der Menschen in Mali über das Gespräch mit der berühmten und beliebten Sängerin, Diva, Unternehmerin, engagierten Bürgerin OUMOU SANGARÉ. Jonathan Fischer, manchmal in Bamako ansässig, hat schon viele Geschichten aus Mali geschrieben, die Ihr auch in den MALI-INFORMATIONEN finden könnt, und es freut mich, dass sein aktueller Artikel am 24.03.23 auch in der WELT erschienen ist, unter dem Titel: Warum die Mehrheit in Mali hinter der russlandfreundlichen Militärjunta steht. Zugunsten einer weiteren Verbreitung, gegen das hiesige Narrativ vom « failed state » und gegen den Vorwurf an die Malier, dass sie ihre Verbündeten selbst bestimmen. Souveränität ist das, was ihnen heute in der Politik am wichtigsten ist.


Foto (c) Jonathan Fischer: Oumou Sangaré in ihrem Haus in einem Außenbezirk Bamakos

Weltstars wie Beyoncé vergöttern sie, in Mali ist die Sängerin Oumou Sangaré eine Volksheldin. Im Gespräch erklärt sie, wie ihre Heimat zum Krisenherd wurde und wer das Land ruinierte.

Maison de Oumou Sangaré » – das hatte dem Taxifahrer als Zielangabe gereicht. Wer in Bamako Songs wie « Diaraby Néné » mitsingen kann, und das sind vom Greis bis zum Kind praktisch alle, der weiß auch, wo die Grande Dame des malischen Pop wohnt. Von der großen Teerstraße am östlichen Ufer des Niger, zweigt an einer Tankstelle – « le station d’Oumou » erklärt der Taxifahrer ehrfürchtig – ein Feldweg ab. Er führt durch Felder und Gemüsegärten, vorbei an halbfertigen Luxus-Rohbauten zu einer etwas abgerockten Villa.

« Oumou Sangaré – Diva » lautet das Kennzeichen des in der Einfahrt parkenden Jeeps. Der Rest wirkt wie ländliches Mali: Ein paar Esel weiden auf dem Nachbargrundstück. Und gleich am Eingangstor recken zwei weiße Pferde und ein Kamel dem Besucher ihre Hälse entgegen. In Mali gelten sie als Glücksbringer. Und Beschützer des Hauses gegen neidische und böse Gedanken. …

HIER WEITERLESEN

Weltstars wie Beyoncé vergöttern sie, in Mali ist die Sängerin Oumou Sangaré eine Volksheldin. Im Gespräch erklärt sie, wie ihre Heimat zum Krisenherd wurde und wer das Land ruinierte

Maison de Oumou Sangaré » – das hatte dem Taxifahrer als Zielangabe gereicht. Wer in Bamako Songs wie « Diaraby Néné » mitsingen kann, und das sind vom Greis bis zum Kind praktisch alle, der weiß auch, wo die Grande Dame des malischen Pop wohnt. Von der großen Teerstraße am östlichen Ufer des Niger, zweigt an einer Tankstelle – « le station d’Oumou » erklärt der Taxifahrer ehrfürchtig – ein Feldweg ab. Er führt durch Felder und Gemüsegärten, vorbei an halbfertigen Luxus-Rohbauten zu einer etwas abgerockten Villa.

« Oumou Sangaré – Diva » lautet das Kennzeichen des in der Einfahrt parkenden Jeeps. Der Rest wirkt wie ländliches Mali: Ein paar Esel weiden auf dem Nachbargrundstück. Und gleich am Eingangstor recken zwei weiße Pferde und ein Kamel dem Besucher…

Voir l’article original 1 410 mots de plus

Tsitsi Dangarembga will Überleben

„Wenn ihr wollt, dass euer Leiden aufhört, müsst ihr handeln“

Foto (c) SZ/ Sebastian Gollnow: Im Oktober 2021 nahm Tsitsi Dangarembga den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in Frankfurt am Main entgegen.

INHALT: 1. Tsitsi Dangarembga: « Überleben »: Eine Antiheldin, zu allem bereit
Süddeutsche Zeitung/buecher.de  – 29. November 2021
2. Gespräch mit Tsitsi Dangarembga « Ich lasse mich nicht vertreiben »
SZ – 23. Juni 2022
3. „Handeln kommt aus der Hoffnung“
taz – 23.10.2021
4. »Ich bin, weil du bist, und weil du bist, bin ich auch«
Ein Debattenbeitrag von Tsitsi Dangarembga
Spiegel – 09.07.2022
5. Haftbefehl gegen Tsitsi Dangarembga erlassen
Deutsche Welle – 27.06.2022
6. Autorin Tsitsi Dangarembga schuldig gesprochen
Deutsche Welle – 29.09.2022

1. Tsitsi Dangarembga: « Überleben »: Eine Antiheldin, zu allem bereit
Süddeutsche Zeitung/buecher.de  – 29. November 2021
Von Miryam Schellbach
Die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga erzählt in ihrer Romantriologie von einer postkolonialen Nation und ihren Involvierten, Mittätern und Schuldigen – mit Momenten von moralischer Offenheit und schmerzhaftem Sozialrealismus.
Die Schmerzensreiche
Als Tsitsi Dangarembga in der Frankfurter Paulskirche ans Podium trat, um den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegenzunehmen, sagte sie, Simbabwe, der Staat, aus dem sie komme, habe niemals Frieden gekannt. Lire la suite

Demo in Dortmund gegen die Unterdrückung im Iran und den Tod von Mahsa „Jina“ Amini

Viele Menschen versammelten sich am Samstag in Dortmund, um gegen die politische Gewalt an Frauen im Iran zu demonstrieren.

Foto (c) Karsten Wickern: In Dortmund wurden am Samstag (24.9.) bei Demonstrationen mehrere Kopftücher verbrannt. Es ist ein Zeichen, um sich mit der getöteten Mahsa „Jina“ Amini zu solidarisieren.

Frauen verbrennen ihre Kopftücher mitten in Dortmund
RuhrNachrichten – 24.09.2022
Hunderte Menschen haben am Samstag vor dem Dortmunder Hauptbahnhof demonstriert. Ihre Wut richtete sich gegen die Gewalt gegen Frauen im Iran. Dabei griffen sie zu einem ungewöhnlichen Mittel.
von Robin Albers, Karsten Wickern
Immer wieder schallt die Parole „Jin, Jiyan, Azadî!“ über den Vorplatz an der Nordseite des Dortmunder Hauptbahnhofes. Sie stammt aus dem Kurdischen und bedeutet „Frauen, Leben, Freiheit“. Hunderte Dortmunderinnen und Dortmunder rufen sie am Samstag (24.9.) bei einer Demonstration vor dem Cinestar. Genauso wie tausende Demonstrierende seit dem 16. September im Iran und in Kurdistan. An diesem Tag starb die 22-jährige Mahsa „Jina“ Amini. Sie wurde drei Tage zuvor in Teheran von der iranischen Sittenpolizei festgenommen, da sie angeblich ihren Hijab, ihr Kopftuch, nicht richtig getragen habe: Ihre Haare seien zu sehen gewesen. Amini überlebte ihre Verhaftung nicht.
Ihr Tod führte zu starken Protesten gegen die iranische Regierung, die Sittenpolizei und die strenge islamische Kleiderordnung. Frauen schneiden sich unter anderem die Haare ab oder verbrennen ihr Hijab. Bei den Protesten im Iran und in Kurdistan sind bislang dutzende Menschen gestorben.
Freiheit für Frauen gefordert
Die Demonstration in Dortmund begann um kurz nach 13 Uhr mit einer Schweigeminute für die 22-jährige Amini. Überwiegend Menschen, die augenscheinlich einen muslimischen Hintergrund haben könnten, nahmen teil, vorwiegend aber Frauen aus jeder Altersgruppe. Viele von ihnen hatten lilafarbene Flaggen der „Kurdischen Frauenbewegung in Europa“ (TJK-E) dabei. Laut Polizei waren in der Spitze 280 Menschen vor Ort.

Foto (c) Robin Albers: Viele Menschen versammelten sich bereits am Vormittag am Nordausgang, um gegen die politische Gewalt an Frauen im Iran zu demonstrieren.

Am frühen Abend fand am gleichen Ort eine weitere, ähnliche Demonstration statt. Bei der wurde überwiegend Persisch gesprochen – das spricht ein Großteil der Menschen im Iran. An der nahmen laut Polizei mehr Menschen teil, als am Vormittag – 450 Teilnehmende hätten die Beamten gezählt. Viele seien einfach nach der ersten Versammlung am Cinestar geblieben und hätten sich der Demonstration angeschlossen, die um 17 Uhr begann.

Foto (c) Karsten Wickern: Rund 450 Menschen nahmen bei der Demonstration am frühen Abend teil.

Brennende Hijabs als Zeichen der Solidarität
Genauso wie die Proteste im Iran kritisierten die Menschen in Dortmund in Redebeiträgen immer wieder das Mullah-Regime und den Tod von Mahsa Amini sowie die Gewalt gegen Frauen und die Demonstrierenden. Sie fordern Freiheit für iranische Frauen. Die Stimmung war jeweils durchaus wütend, wenn auch friedlich.

Als Zeichen der Solidarität wurden auch in Dortmund einige Kopftücher verbrannt. Bei der Demonstration am Vormittag war die Flamme, die dabei entstand, noch relativ klein, was vermutlich einem leichten Nieselregen zuzuschreiben ist. Die Versammlung am frühen Abend endete mit einem etwas größeren Feuer. Die Polizei hat wegen der brennenden Hijabs allerdings nicht eingreifen müssen.
© 2022 rn.de

Wer hat Angst vor dem freien Kopf?
Im Iran protestieren Frauen gegen die Zwangsverschleierung als Unterdrückungswerkzeug. Die Linke sollte nicht zögern, ihr Anliegen zu unterstützen.
taz – 23.09.2022
Von Fatma Aydemir
Was Frau auf dem Kopf trägt oder nicht trägt, sagt wenig darüber aus, was in ihrem Kopf vor sich geht. Es gibt Frauen, die verhüllen sich aus religiösen Gründen, und es gibt Frauen, die es aus sozialem Druck und Konventionen tun. Manche Frauen sehen in ihrem Kopftuch ein Zeichen der Selbstbestimmung, manche tragen es, um sich zu schützen. Ich kenne Frauen in Deutschland, die Jobs verloren, weil sie sich für das Kopftuch entschieden haben. Es gibt Frauen in der Türkei, die geächtet werden, wenn sie ihr Kopftuch abnehmen.

All diese Bedeutungen und Positionen zum Kopftuch existieren, es gibt noch unzählige mehr. Und wir können diese Vielfalt von Bedeutungen anerkennen und trotzdem feststellen: Die gesetzliche Zwangsverschleierung im Iran ist ein totalitäres Werkzeug der Unterdrückung. Und zwar nur eines von vielen. Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Zhina Amini vergangene Woche brennen Kopftücher auf den Straßen in Iran. Und dieser Anblick sollte unabhängig von den vielen anderen Bedeutungen dieses Stoffes als das wahrgenommen werden, was es in diesem Kontext ist: ein Akt des feministischen Widerstandes. Amini wurde von der sogenannten Religionspolizei festgenommen und gefoltert, weil sie ihr Kopftuch nicht „ordnungsgemäß“ trug. Möglicherweise waren einige Haarsträhnen zu sehen. Nach drei Tagen im Koma starb die junge Frau, höchstwahrscheinlich an den Folgen ihrer Misshandlung.

Täglich protestieren seitdem Frauen und Männer im Iran gegen das Mullah-Regime, wohl wissend dass sie dafür verhaftet und im schlimmsten Fall mit dem Leben bezahlen werden. Neben dem großen Aufstand in der Hauptstadt Teheran, kommt es vor allem in den kurdischen Städten im Westen seit gut einer Woche zu unzähligen Protesten, die von der Polizei brutal niedergeschlagen und auch -geschossen werden. Laut der Menschenrechtsorganisation Hengaw sind allein in Kurdistan bis Donnerstag mindestens acht Protestierende von iranischen Sicherheitskräften getötet worden, darunter zwei Teenager im Alter von 15 und 16 Jahren. Die Regierung legte gleichzeitig das Internet lahm und sperrte das letzte in Iran frei zugängliche soziale Netzwerk Instagram, um die Bevölkerung von der Außenwelt sowie untereinander zu isolieren. Die Menschen gehen dennoch weiter auf die Straße.

Linke müssen dem Aufstand beistehen

Die 22-jährige Amini selbst, die am 13. September in Teheran festgenommen wurde, war gerade zu Besuch bei Verwandten. Eigentlich stammte sie aus der kurdischen Stadt Saqqez und trug den kurdischen Namen Zhina. Auf dem Papier hieß sie Mahsa, da iranische Behörden kurdische Namen nicht anerkennen. Auch das ist ein Werkzeug der staatlichen Unterdrückung, bekannt auch aus der Türkei.

Aus der Vergangenheit sollten wir wissen, wie brutal die Islamische Republik Proteste niederschlägt und so ist es existenziell, dass wir uns mit diesem Volksaufstand solidarisieren, dass wir ihn nicht in Vergessenheit geraten lassen, und zwar gerade als Linke. Denn ja, es macht einen Unterschied, ob ein Kopftuch in den Straßen Dresdens brennt oder in Kurdistan. Es macht einen Unterschied, ob Rechte diesen Aufstand instrumentalisieren oder Linke ihm beistehen und Gehör verschaffen.

Bedauerlicherweise stelle ich aber fest, wie zögerlich gerade viele vermeintliche Genoss_innen sind, wenn es um die Verurteilung von Gräueltaten eines islamistischen Regimes geht. Das Menschen tötet, weil sie für ganz elementare Menschenrechte demonstrieren. Das eine Institution allein dafür gründet, das Aussehen und Leben von Frauen zu maßregeln, im Zweifelsfall unter Anwendung von Folter. Das Minderheiten systematisch verfolgt, weil sie für ihre Selbstbestimmung einstehen. Wie emanzipatorisch kann sich eine Linke nennen, die bei alldem wegsieht?
© 2022 taz.de

Eine Frau protestiert mit wehenden Haaren vor einer iranischen Fahne während einer Demonstration vor der iranischen Botschaft in Istanbul

Foto (c) Francisco Seco/ap/dpa: Auch in Istanbul protestieren Frauen gegen die Zwangsverschleierung im Iran

Nicht mehr als bunte Fahnen auf Rathausdächern? Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

Foto (c) Lateinamerika-Nachrichten/Xueh Magrini Troll: Illustration des LN-Dossiers « ¡Vivas nos queremos! » – s.Kasten

1. Niemand soll sich schämen
Theater Bremen – Zum 25.11.2020
Eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen weltweit ist Gewalt. In Deutschland ist jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Ein Text der Dramaturgin Theresa Schlesinger. Lire la suite

CHIMAMANDA ADICHIE – Lest sie ❗

Hermann-Hesse-Preis für Autorin Chimamanda Ngozi Adichie
Deutsche Welle – 02.07.2020
Von Sabine Peschel, Suzanne Cords
Berühmt wurde sie mit « Americanah » – nun erhält Chimamanda Ngozi Adichie für ihren ersten Roman « Blauer Hibiskus » den renommierten Hermann-Hesse-Preis.

Hauptperson des 2003 erschienenen Romans ist die 15-jährige Kambili. Das Haus ihrer Eltern liegt inmitten von Hibiskus, Tempelbäumen und hohen Mauern, dahinter lauert das von politischen Unruhen geprägte Nigeria. Das Mädchen erzählt von dem Jahr, in dem ihr Land im Terror versinkt und ihre Kindheit zu Ende geht.
« Selten haben wir einen so spannenden und ausgereiften Roman gelesen », schwärmten die Juroren über Chimamanda Ngozi Adichies Erstlingswerk, das schon 2003 auf Englisch erschien, aber erst viele Jahre später von Judith Schwaab ins Deutsche übersetzt wurde. Über 20.000 Euro Preisgeld können sich jetzt sowohl Autorin als auch Übersetzerin freuen, denn laut Statut wird der Hermann-Hesse Preis immer für eine « schriftstellerische Leistung von internationalem Rang in Verbindung mit ihrer Übersetzung » vergeben. Der Roman hatte Adichie bereits zuvor mehrere Auszeichnungen eingebracht.

Eine Doppel-Karriere zwischen Uni und Schreiben
Adichie ist längst ein Star der globalen Literaturszene. Kurzgeschichten und erste Romane veröffentlichte die 1977 in eine Akademikerfamilie im südlichen Nigeria geborene Adichie schon während ihres Studiums. Mit 19 ging sie in die USA, um in Philadelphia Politik- und Kommunikationswissenschaften zu studieren. 2003 folgte ein Master-Titel in Creative Writing, 2008 einer in Afrikanistik an der Yale University.
Danach standen ihr die Türen der besten akademischen Adressen offen: 2005 war sie Fellow-Stipendiatin an der Princeton, 2011/12 an der Harvard University. In diesen Jahren wurde sie zur Grenzgängerin zwischen den USA und ihrem Heimatland Nigeria, literarisch und im realen Leben. Auch heute noch teilt sie ihre Zeit zwischen den beiden Ländern auf.

« Americanah » – Roman einer Grenzgängerin
Zur weltweit anerkannten Bestsellerautorin machte sie ihr 2013 erschienener Roman « Americanah« , desssen Protagonistin wie die Autorin auf beiden Kontinenten lebt, dem afrikanischen und dem amerikanischen. Das Buch wurde in 37 Sprachen übersetzt und trägt in allen Übersetzungen denselben Titel – er gibt die in Nigeria übliche Bezeichnung für Rückkehrer aus den USA wieder. Der autobiografisch geprägte Roman trug ihr internationale Anerkennung ein.

Jemand hält Adichie ihr Buch Americanah und einen Stift hin (picture-alliance/dpa/S. Stein) Bei der Frankfurter Buchmesse 2018 standen die Fans Schlange für ein Autogramm

Unterhaltsam, aber mit großer analytischer Schärfe beschreibt « Americanah » die Rituale von Diskriminierung und betonter Liberalität gegenüber den Schwarzen in den USA. Dass der umfangreiche Text mit seinem gesellschaftspolitischen Anliegen immer noch und keineswegs nur in den Vereinigten Staaten hochaktuell sei, betonte Adichie im Gespräch. « Es gibt Rassismus gegenüber Menschen mit afrikanischer Abstammung in den verschiedensten Weltregionen. Aber es geht dabei nicht nur um Rasse, es geht auch darum, welches Bild von sich selber man sich in einer Umgebung macht, die einen als nicht zum Zentrum zugehörig definiert. Es geht um ein Problem von Peripherie und Zentrum. »

« Mehr Feminismus! » – ein Vortrag macht Adichie zum Internet-Star
Ein weiteres großes Thema Adichies ist der Feminismus. « Ich war schon als Kind Feministin, noch ehe ich das Wort kannte », erzählte sie der DW 2019. « Als ich mich in einem TED-Talk als Feministin outete, sprach ich ganz einfach über etwas, das ich schon immer war. » Dass ihr Talk von 2012 « We should all be Feminists » (« Mehr Feminismus! ») Furore machte, freute sie besonders. « Zumal ich ihn vor einem afrikanischen Publikum hielt und annahm, dass er eher feindselig aufgenommen würde. » Die Rede wurde legendär, Millionen Menschen sahen sie sich im Internet an, und sogar Popsängerin Beyoncé zitierte in ihrem Song « Flawless » einige kurze Passagen daraus. [Am Landestheater Salzburg wird das Manifest zur Zeit als Stück inszeniert. dw 15.09.2019]

« Liebe Ijeawele »: Für eine Erziehung gegen Rollenzuschreibung

Cover der Vogue mit Chimamanda Ngozi Adichie von 2019 (Vogue/Peter Lindbergh)

Im September 2019 zierte Chimamanda Ngozi Adichie die Zeitschrift « Vogue »

Den Kampf gegen weibliche Rollenzuschreibungen, Sexismus und Diskriminierung führt Chimamanda Ngozi Adichie mit viel Entschiedenheit, aber vor allem auch Charme. « Ich schimpfe nicht laut herum, weil ich weiß, dass ich dann nicht gehört werde », erklärt sie ihr Verständnis. Stattdessen schreibt und spricht sie darüber, « wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden können ». In ihrem Buch « Liebe Ijeawele » von 2017 (« Dear Ijeawele, or A Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions« ) breitet sie Vorschläge für eine feministische Erziehung aus.
Dass die Ratschläge sich aber auch und vorrangig an Männer richten müssten, macht sie auf amüsante Weise deutlich: « Wir können nichts ändern, wenn wir nicht über Jungs und Männer sprechen. Wisst Ihr, wir müssen die guten Männer finden, damit sie die Botschaft verbreiten! »

Diesmal kein Festakt 
Eine starke Stimme wie Adichies bleibt nicht ungehört. Das beweist die erneute Auszeichnung der Autorin mit dem renommierten Hermann-Hesse-Preis. Corona-bedingt wird es allerdings keinen Festakt in Calw geben, der Heimatstadt des 1877 geborenen Dichters Hermann Hesse.
© 2020 dw.com

 

Chimamanda Adichie: THE DANGER OF A SINGLE STORY

Über ihren TED-Talk 2009, in dem ich sie kennen lernte  => hier im Blog

Chimamanda Ngozi Adichie – Star der globalen Literaturszene und Feministin
Deutsche Welle – 15.09.2019
Von Sabine Peschel
Chimamanda Ngozi Adichies Roman « Americanah » machte sie weltberühmt. Aktuell ist sie auf der britischen Vogue zu sehen. Sie kämpft für Feminismus – in Afrika und auf der ganzen Welt.
Es ist ein vergleichsweise kleiner Preis, mit dem Chimamanda Ngozi Adichie am Sonntag (15.09.2019), an ihrem 42. Geburtstag, in Kassel ausgezeichnet wurde. Die nigerianische Schriftstellerin bekam – wie vor ihr unter anderen schon Ai Weiwei und Edward Snowden – den Bürgerpreis « Glas der Vernunft » als « eine kämpferische, aber nicht fanatische Persönlichkeit, die anprangere, aber auch Wege zur Veränderung aufzeige ». Es sei eine « Graswurzelsache », eine Angelegenheit der Bürger der hessischen Stadt, deshalb freue sie sich besonders darüber, sagte Adichie im Gespräch mit der Deutschen Welle. Denn Preise bestärkten sie darin, dass das, was sie tue, etwas bewirke, und dass es wichtig sei weiterzumachen.
Zweifel daran sollte sie eigentlich nicht mehr haben. Adichies Bücher und ihr politischer Kampf gegen Sexismus und Rassismus sind längst kein Phänomen mehr, das nur für ihr Heimatland Nigeria von Bedeutung wäre. Als sie während des Internationalen Literaturfestivals in Berlin auftrat, wurde sie bejubelt wie ein Popstar. Minutenlang feierte das Publikum im Theater « Hebbel am Ufer » die Autorin, als diese die Bühne betrat. Dabei klang der Reihen-Titel « The Art of Writing » (Die Kunst des Schreibens), unter dem ihre Veranstaltung angekündigt war, eher theoretisch als populär. Doch die Zuhörerinnen und Zuhörer, darunter auffällig viele Frauen mit attraktiver Afromähne, kannten ihren Star, Adichies Bücher – und vor allem aber auch ihre TED-Talks, deren Videoaufzeichnungen den Feminismus in der Popkultur verankert hatten.
(…)
Schon ihr 2003 erschienener Debutroman « Purple Hibiscus » (deutsch 2005, « Blauer Hibiskus »), eine aus der Perspektive einer 15-Jährigen erzählte Geschichte, die in den politischen Wirren im Nigeria der 1990er Jahre spielt, gewann Preise. Ihren zweiten Roman « Half of a Yellow Sun » (2007, « Die Hälfte der Sonne ») siedelte Adichie in den 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts an, als die Region Biafra nach Nigerias Souveränität 1960 die eigene Unabhängigkeit anstrebte.

Chimamanda Ngozi Adichie (ilb/A. Ghandtschi)

Foto (c) ilb/A. Ghandtschi: Chimamanda Ngozi Adichie las in Berlin und wurde bejubelt, am 13.09.2019

(…)
© 2020 dw.com